al pie de la letra

Von der Gegenwart

DELS TEMPS PRESENT[1]

ein Einführungstext von

Rilo Chmielorz

anlässlich der Uraufführung ihrer Installation/Performance AL PIE DE LA LETRA (Fussnote)

am 21. März 2007 im alten Lesesaal der Biblioteca Francesca Bonnemaison, Barcelona,

innerhalb des Festivals Magdalena Piezas Conectadas

 

Als ich im Oktober 2006 nach Barcelona reiste, um eine Vorstudie zu realisieren für die Arbeit, die heute hier im alten Lesesaal uraufgeführt wird, hatte ich keine Ahnung, was mich in der Biblioteca Francesca Bonnemaison erwarten würde.

Im Internet hatte ich bereits einiges Biografisches über Francesca Bonnemaison und die Enstehungsgeschichte der Bibliothek und das Frauenarchiv gefunden. Ich wollte der Bibliothek zuhören und ihre Eigengeräusche aufnehmen. Und ich hoffte nun mehr Material über ihre Gründerin zu finden. Ich wollte mehr über die Person erfahren, wollte herausfinden, was war das für eine Frau, diese Francesca Bonnemaison?  Und so tauchte ich ab in das Frauenarchiv der Bibliothek im ersten Stock.

Ich las viele Texte auf katalanisch und fand heraus, dass Francesca eine gläubige Katholikin war und ihr pädagogisches Anliegen im wesentlichen auf dem Konzept der christlichen Nächstenliebe fusst.

Im Jahre 1927, Francesca war gerade 55 Jahre alt (ein bisschen älter als ich heute) und seit einigen Jahren verwitwet, hielt sie in der Bibliothek einen Vortrag mit dem Titel “DELS TEMPS PRESENT”. In diesem Vortrag beschreibt sie ihr pädagogisches Frauen-Konzept. Es ruht auf drei Grundpfeilern: der Religion, der Familie und der Intelligenz. Das pädagogische Ziel lässt sich ebenso einfach wie kurz zusammenfassen: es ging Francesca um das “glücklich sein” und Glück war für sie ganz eng mit Freiheit verbunden und insofern kein ausschliessliches “privates Glück”.  Es ist ein konservatives Konzept, altruistisch, denn schliesslich ging es hier um die (Weiter) Bildung von Frauen aus schlechter gestellten Gesellschaftsschichten. Fast mutet es mir heute ein bisschen romantisch an.

Das damalige Motto der Bibliothek und des Kulturinsituts für Frauen: “TOTA DONA VAL MES QUAN LLETRA APREN” ist in der Gegenwart längst von postkapitalistischen Strukturen eines global funktionierenden Wirtschaftssystems absorbiert worden. Das Lernen ist dem System zum Selbstzweck geworden, das gilt vor allem für die neoliberalen Elite-Schulen. Die Entwicklung der Intelligenz im Sinne einer individuellen ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung, wie es die humanistische Tradition als pädagogisches Ziel sah, wird heutzutage häufig mit einer zwanghaften Selbstverwirklichung verwechselt und gerät angesichts einer standartisierten Wissensanhäufung immer mehr in den Hintergrund. Bildung verkümmert immer mehr zur Ware.

Ich stöberte weiter im Frauenarchiv und stiess auf Hannah Arendt, die in jenen Oktobertagen, die ich in der Bibliothek verbrachte, gerade ihren 100. Geburtstag hatte. Hannah Arendt wurde 1906 geboren und war drei Jahre alt, als Francesca die Frauenbibliothek eröffnete.

Beide Frauen gingen ins Exil: Francesca Bonnemaison ging in die Schweiz, um den franquistischen Schergen zu entgehen, während die Bibliothek in die Hände der Falangisten geriet. Hannah Arendt, eine deutsche Jüdin, floh vor den Nationalsozialisten zunächst nach Paris und dann in die U.S.A., wie soviele andere Intelektuelle dieser Zeit.

“La Condición Humana” (Vita Activa – oder vom tätigen Leben) ist eines ihrer Hauptwerke aus dem Jahre 1957, in dem sie die Begriffe “arbeiten, herstellen, handeln” (labor, trabajo, acción) als Grundbedingung der menschlichen Freiheit darlegt “en el mundo moderno”. El mundo moderno beginnt für Hannah Arendt mit der Entwicklung der Atombombe und der Venichtung von Hiroshima. Auch Hannah war besorgt um das Glück der Menschen und ihre Freiheit innerhalb einer politischen Gesellschaft: “Nadie puede ser feliz sin participar en la felicidad publica, nadie puede ser libre sin la experiencia de la libertad publica, y nadie, finalmente puede ser feliz o libre sin implicarse y formar parte del poder político.” (Niemand kann glücklich sein, ohne am öffentlichen Glück teilzuhaben. Niemad kann frei sein, ohne die Erfahrung einer öffentlichen Freiheit und schlussendlich kann niemand glücklich oder frei sein ohne sich in politische Macht(strukturen) einzumischen und aktiv teilzunehmen.”)

 Die Reflektion, die Hannah Arendt hier vorlegt, ist heute 50 Jahre alt und dennoch brisanter denn je, angesichts der bevorstehenden Klimaapokalypse und der Tatsache, dass z.B. die amerikanische Regierung das Kyoto-Protokoll immer noch nicht unterzeichnet hat.

Derweil lesen wir weiter, weiter und weiter. Die Lektüre bereitet uns bisweilen Glücksmomente, die uns zwischen Erkenntnis und Selbsterkenntnis jenseits blosser Wissensanhäufung, hoffentlich auch zum aktiven Handeln treibt, denn das Glück stellt sich nicht einfach so her –  man muss etwas dafür tun, es will “erhandelt” werden.

Die hier vorgestellte künstlerische Arbeit versteht sich als plastischer Essay: eine Reflektion über das Lesen. Die Performance als symbolische Handlung führt sich im vorliegenden Fall selbst ad absurdum, denn die Installation eines riesigen Bücherberges umschliesst die Performerin, sie kann sich nun nicht mehr bewegen. Sie ist im Wortsinne zur “Fussnote” geworden. Wir sehen nur ihren Oberkörper. Ihr Unterleib verschwindet in einem Meer von Büchern. Dennoch scheint sie nicht völlig handlungsunfähig: sie denkt nach – vielleicht über die Bücher, die sie gelesen hat oder die, die sie nun gefangen halten oder sie geht schwanger mit einer neuen Idee….. Ohne Zweifel: ihr Kopf arbeitet. Auf selbigem balanciert sie ein Schlagzeugbecken, welches mikrofoniert ist. Die Berührungen des Beckens machen ihr “Nachdenken” hörbar im ganzen Lesesaal, eine Raumsimulation über vier Audiokanäle. Der Einsatz neuester Audio-Technologien ermöglicht dem Zuschauer hier auch ein räumliches “Zuhören”. Die live-Elektronik, für die Pedro López verantwortlich ist ebenso wie für die informatische Programmierung, macht uns die Transformation der Gedanken in progress deutlich; sobald sie in den Computer eintauchen, werden wir Zeuge einer Interaktivität zwischen Lichtimpulsen und klaren Transparenzen, die schnell wechseln können zu labyrinthischen Imaginationen, die den Lesesaal füllen vor dem akustischen Hintergrund des Ortes und seinen historischen Dimensionen. Es sind nicht nur die Eigengeräusche der Bibliothek, denn ab und zu scheinen wir eine Stimme wie aus einem alten Radio zu hören: ist es der Diskurs von Francesca oder hören wir die Bibliothek selbst ? Oder hören wir nichts anderes als “nur” die Zeit ?

Um in der Gegenwart zu handeln, müssen wir die Vergangenheit im Rückspiegel haben und gleichzeitig nach vorne schauen.

 

Rilo Chmielorz

en Madrid/Barcelona el 21 de  Marzo 2007


[1] “Del Temps Present”, Titulo de la Conferencia dada por Francesca Bonnemaison en el Instituto de Cultura y Biblioteca Popular de la Dona el dia 11 de noviembre de 1927.

 

 


 

DEL TIEMPO PRESENTE

una introducción de

Rilo Chmielorz

con el motivo del estreno absoluto de su obra “AL PIE DE LA LETRA” el día 21 de marzo del 2007

en la antigua sala de lectura de la Biblioteca Francesca Bonnemaison, Barcelona,

dentro del Festival Magdalena Piezas Conectadas

En octubre 2006 viajé a Barcelona para realizar un estudio previo de la obra que se va a estrenar hoy en la antigua sala de lectura. Entonces no tenía ni idea de lo que me esperaba en la Biblioteca Francesa Bonnemaison.

En  Internet había encontrado una biografía de Francesca e informaciones sobre la fundación de la biblioteca, su historia y su archivo de mujeres. Quería „escuchar“ la biblioteca y grabar sus propios sonidos. A la vez deseaba encontrar más material sobre su fundadora. Quería averiguar más sobre ella.

¿ Qué tipo de mujer era Francesca Bonnemaison? Me metí en la biblioteca y seguí su pistas en el archivo de mujeres de la primera planta.

Leí un montón de textos en catalán y descubrí que, Francesca era una mujer católica creyente y que su concepto pedagógico se basaba en grandes partes en el amor al prójimo.

En el año 1927 cuando Francesca tenia 55 años, viuda ya hacía tiempo,  daba una conferencia en la biblioteca que llevaba el titulo “DELS TEMPS PRESENT”. En la conferencia exponía su concepto pedagógico para las mujeres, que se basaba en tres pilares: la religión, la familia y la inteligencia. El objetivo pedagógico se puede resumir sencillamente y brevemente: Francesca estaba preocupada por la felicidad. Este “ser feliz” estaba muy unido con la libertad con lo cual no se trataba exclusivamente de un “ser feliz en privado”. Es un concepto conservador y a la vez altruista, porque al fin y al cabo se trataba de una formación para mujeres de clases sociales sin privilegios y el acceso a otro tipo de educación. Incluso a mi me parece casi un poco romántico.

Hoy en día las estructuras postcapitalistas dentro de una economía, que funciona a nivel global, ya han absorbido lemas como el de la Biblioteca y del Instituto de Cultura para la Mujer de entonces “TOTA DONA VAL MES QUAN LLETRA APREN”. Dentro de  este sistema, la educación se ha convertido en un fín en sí mismo, sobre todo dentro del movimiento neoliberal con sus colegios-elíte. La creación de la inteligencia, en el sentido de desarrollar una personalidad individual entera, tal como la tradición humanista definía su fin pedagógico, hoy en día se confunde muchas veces con una autorealización obsesiva y ante una acumulación de conocimientos tipo estándar resulta un asunto al fondo de todo que apénas tiene importancia. La educación se atrofia y se esta convirtiendo en otra mercancía cualquiera.

Seguí registrando en el archivo de mujeres y por casualidad me encontré con Hannah Arendt. En aquellos días de otoño, cuando estaba trabajando en la biblioteca, se cumplían los cien años de su nacimiento. Hannah Arendt nació en el 1906 y tenía tres años cuando Francesca inauguró la biblioteca.

Ambas mujeres se fueron al exilio: Francesca huía de los Franquistas hacia Suiza mientras la Biblioteca y el Instituto de Cultura para la Mujer cayeron en manos de la Falange. Hannah Arendt, alemana judía, huía de los Nazis, primero a París y después a Estados Unidos como muchos otros intelectuales de la época.

“La Condición Humana” del 1957 es una de sus obras claves. En ella éxpone los términos “labor, trabajo, acción” como condición básica para la libertad del hombre en “el mundo moderno”. Para Hannah ese “mundo moderno” tiene sus inicios en el desarrollo de la bomba atómica y la destrucción de Hiroshima. También Hannah estaba preocupada por la “felicidad” del hombre y su libertad dentro de una sociedad política: “Nadie puede ser feliz sin participar en la felicidad publica, nadie puede ser libre sin la experiencia de la libertad publica, y nadie, finalmente puede ser feliz o libre sin implicarse y formar parte del poder político.”

La reflexión, que exponía Hannah entonces, hoy en día cumple cincuenta años pero no obstante es de una actualidad palpitante ante el Apocalipsis climatológico que está a la vuelta de la esquina y el hecho de que el protocolo de Kyoto se haya quedado sin firmar por parte del gobierno de los Estados Unidos.

Mientras tanto seguimos leyendo. La lectura nos ofrece momentos de felicidad, y entre conocimiento y autoconocimiento, fuera de una mera acumulación de informaciones estándar, ojalá nos llevara a la reflexión, acción y ejecución. Ojalá aprendiéramos que la felicidad no es un regalo – hay que hacer algo por ella.

La obra artística, que se presenta hoy, se puede entender como un ensayo plástico: es una reflexión sobre la lectura sobre “el leer”. En este caso el performance como acción simbólica se lleva a si mismo „ad absurdum“, porque la instalación de un montón de libros encierra la performer, no puede moverse. Vemos su busto. Su bajo vientre desaparece en un mar de libros. Literalmente se encuentra AL PIE DE LA LETRA. No obstante parece que le queda libertad de actuar: ella esta pensando – quizás piensa sobre los libros que ha leído ó sobre los, que la atan o quizás esta meditando un nuevo proyecto….. Sin duda su cabeza esta trabajando. Sobre ella balancea un platillo de bronce que esta microfonizado. Al rozar el platillo podemos escuchar sus pensamientos en toda la sala de lectura a través de la espacialización de cuatro canales. La aplicación de nuevas tecnologías de audio facilita al espectador una escucha espacial. La electrónica en vivo, de la mano de Pedro López tanto como la programación informática, manifiesta la transformación de los pensamientos en proceso: según entran en el ordenador somos testigos de una interactividad de impulsos de luz y claras transparencias que rápidamente se convierten en imaginaciones laberínticas que llenan la sala de lectura ante el fondo acústico del lugar y sus dimensiones históricas. No solamente oímos los sonidos propios de la biblioteca, sino de vez en cuando parece que nos llega una voz de una vieja radio: ¿es el discurso de Francesca o estamos a la escucha de la propia biblioteca? ¿ O estamos a la escucha de nada más ni menos que el mero tiempo?

Para actuar en el presente hay que tener el pasado en el retrovisor y enfocar simultáneamente la mirada hacia delante.