„No it is!“ (Gropius Bau noch bis zum 21.8.2016)

August 15, 2016 by Rilo
Filed under: Allgemein 

 

M A I L L I W     E G D I R T N E K

 

who´s that guy?

 

W I L L I A M    K E N T R I D G E

 

EINER DER obsessiv mit seinem Spiegelbild redet, Filme rückwärts laufen lässt, rückwärts sprechen und singen lässt.

 

Foto 8

„it´s not me and the horse is not mine.“

who is me?

who is in the mirror?

und warum gehört das Pferd nicht ihm?

Würden wir das Wort „Pferd“ in M A I L L I W´s Enzyklopädien nachschlagen, die in seiner Atelier-WUNDERKAMMER I ausliegen, würde es wahrscheinlich nicht lesbar sein, denn eine gestische Pinselzeichnung (der Verzweiflung? des abstraken Hinzufügens?) oder eine tanzende Figur machte die Erklärung wahrscheinlich unkenntlich, aber keineswegs bliebe diese kleine Performance ohne Erkenntnis.

K. macht in seiner „Drawing Lesson“ ein Pferd aus schwarzen Papierschnipseln. Die Papierschnipsel werden verschoben, die Form verändert sich, aber es bleibt ein Pferd. Wir erkennen ein Pferd, aber es ist nicht unser Pferd. Dennoch ist es ein Schlüssel zur Welt. K. sagt, das Blatt Papier mit dem Pferd ist eine Membran zwischen Betrachter und Welt. Und insofern unterliegen die Gefangenen in Platon´s Höhlengleichnis keiner Täuschung, denn was sie sehen gehört zur Wahrnehmung und zur Erkenntnis der Welt. Deswegen gehört das Pferd niemals ihm oder uns.

Eine Enzyklopädie kann die Welt nicht erklären.

„How to give sense to the world?“ fragt der Künstler.

Zeichnen (!) um der Welt einen Sinn zu geben. Wenn ich mich umschaue in „No it is!“, versucht Kentridge der Welt Sinn zu verleihen in SCHWARZ // WEISS. Black and White. Licht und Schatten. Zeichnen mit schwarzem Pinsel auf hellem Papier. Animierte Schnipsel, amorphe Figuren, huschen in seinen Filmen über die Leinwand in einer ständigen Metamorphose, Schattenrisse ihrer selbst. Nur der Kater (Felix in Exile) ist blau, wenn er nachts bei Mondlicht durch die Stadt streicht.

E G D I R T N E K ist Jahrgang 1955, ungefähr so alt wie ich. Er wächst im weissem Bildungsbürgertum in Südafrika auf. In einer Gesellschaft der APARTHEID. Es gibt nur schwarz und weiss. William hatte Glück. Er ist weiss. Aber sein Schatten ist auch schwarz. Gibt es eine Verbindung? Disorder. „Disorder of Melancholy“, eine weitere Enzyklopädie in seiner WUNDERKAMMER I – übermalt // schwarz // weiss. Mein Schatten fällt auf die Vitrine.

Auf der Bühne steht der weisse, weise Mann am Rednerpult in seiner theatralischen „Drawing Lesson, Refuse the hour“. Es geht um die philosophische und politische Dimension von Zeit: die Einführung der mitteleuropäischen Zeit wird als kolonialer Akt gedacht, denn sie hat den indigenen Völkern ihren Zenit gestohlen. K. dröselt seinen Gedankengang sehr fein auf – er fährt Musik und Tanz dazu auf – eine weitere Membran zwischen dem Betrachter und der Welt. „Disorder of Melancholy“. Und immer wieder diese melancholische Minimal-Musik von Philip Miller.

Hier – wie in seinem 8-kanaligen Prozessions-Video “ More sweetly play the Dance“ – ein Hauch von Farbe wie eine handkolorierte Schwarz/Weiss-Fotografie.

Foto

Eine endlose  P r o z e s s i o n – P r o z e s s – i o n. Uncertainty. Sind es noch Lebende oder schon Tote, die über den Fluss müssen und dem Fährmann Charon ihren Obolus entrichten werden, um in das Totenreich zu gelangen? Eine Sisyphos-Liturgie auf acht Leinwänden. Untermalt von der eindringlichen Musik von Philip Miller. Mir scheint hier wird ein Stück Moderne zu Grabe getragen.

In seinem Atelier wandert K. umher, unruhig wie ein Tiger im Käfig – nur in der Bewegung kann sich etwas manifestieren – das Atelier ist der wichtige Ort, die Wunderkammer – Prozess und Prozession. Auf acht Projektionsflächen taucht der Meister immer wieder auf, oft mit sich selbst – immer wieder fragend – Spiegel im Spiegel im Spiegel. Der Vorgang des Zeichnens läuft rückwärts – und dann wieder nur ein weisses, unbeschriebenes Blatt. Eine nackte, weisse Frau steigt die Treppe zu seinem Atelier herunter. (Ich denke Marcel Duchamp und Gerhard Richter). Warum ist es eine weisse Frau? und keine Schwarze? Seine Tänzerin ist schwarz, seine rezitierende Sängerin, Joanna Dudley, eine Weisse (A guided Tour of the Exhibition for Soprano and Handbag).

Alle Medien, die  K E N T R I D G E  benutzt, scheinen wie seziert, an ihre Grenzen getrieben und am Ende irgendwie doch zusammen – für einen Moment. Dann läuft alles wieder rückwärts. Refuse the hour, eine E G D I R T N E K´sche List? Uncertainty. Prozess – ion goes on and on. Nichts ist sicher. „no it is!“.

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