Auf Löffeln tanzen, ein dokumentarisches Klanghörstück
A u f L ö f f e l n t a n z e n
Ein dokumentarisches Klanghörstück von
Rilo Chmielorz
Die Autorin, geboren 1954, gehört zur Generation „Schweigen“, zu jenen 80% aller Nachkriegs-Familien, in denen die Themen NS-Zeit und 2. Weltkrieg tabuisiert wurden/werden. Etwas wird totgeschwiegen. Aber dieses Schweigen ist dennoch Bestandteil der familiären Kommunikation und wirft einen langen Schatten. Mit diesem Schatten können die nachfolgenden Generationen keine Erinnerung verknüpfen, die sprachlich gedacht werden kann. Lautlos gräbt sich dieses transgenerationales Erbe ins Innere.
Auf Löffeln tanzen
geht aus von einem solchen transgenerationalen Erbe der NS-Zeit, das sich in Form von Silberlöffeln – mutmaßlich handelt es sich dabei um jüdisches Eigentum – im Familien-Haushalt der Autorin zwar physisch manifestierte, aber sprachlich immer mit einem Tabu belegt war: darüber wurde geschwiegen. Der Vater gehörte während des Krieges einem SS-Polizeiregiment an und er hatte die Gabe ad hoc (Lügen)-Märchen zu erfinden – später auch für seine kleine Tochter.
Die Silberlöffel waren zwar tabuisiert, aber sie waren und sind immer noch vorhanden. Als die Autorin mit 19 Jahren von zu Hause auszog, packte sie die Silberlöffel (warum auch immer?) einfach ein. Mit ihnen lässt sich ein tosender Geräuschteppich erzeugen, um das Schweigen zu überwinden – ganz so wie es die Autorin 1970 als Jugendliche in Köln in der Installation “TEK/Thermo-Elektronischer Kaugummi” des Fluxus-Künstlers Wolf Vostell (1) erlebte und nie vergessen konnte. Dennoch vergingen einige Jahrzehnte bis die Autorin anfing aus diesem fragmentarischen “Eigenblutdoping”, wie es Diedrich Diederichsen nennen würde, ein Klang-Projekt auf den Weg zu bringen.
Die Autorin arbeitet mit verschiedenen akustischen Gestaltungsebenen: dokumentarisches Material, Archivaufnahmen aus dem Volksempfänger, Märchen, Klangkomposition. Die Dokumente über ihren Vater stammen aus dem Bundesarchiv in Ludwigsburg.
(1)
https://dortmunder-u.de/museum-ostwall/sammlung/
Die wichtigsten Künstler*innen des Fluxus, Happenings …. Wolf Vostell, dessen begehbare, an Konzentrationslager der Geschichte und Gegenwart erinnernde Rauminstallation „Thermo-Elektronischer Kaugummi“ kam schon 1971 in das MO und gehört bis heute zu den wichtigsten Werken der Sammlung.
La Historia de mi Vida
Sommerkurs online an der Universität Miguel Hernández:
es geht um autobiografisches Arbeiten als performative Strategie gegen das Vergessen
Toreras
https://www.hoerspielundfeature.de/
https://www.hoerspielundfeature.de/toreras-auf-augenhoehe-mit-dem-kampfstier-dlf-c5156d67-100.html
Auf Augenhöhe mit dem Kampfstier
Toreras
von Rilo Chmielorz
Drei Frauen haben einen Traum: sie wollen unbedingt Stierkämpferinnen werden. Keine von ihnen kommt aus einer Stierkämpfer-Familie. Sie sind Kämpferinnen aus Leidenschaft. Am Ende wird der Stier getötet.
Canis Lupus
Der Wolf ist ein Grenzgänger und das ist es, was ihn seit jeher so unheimlich macht. Der Wolf kommt immer schon von „drüben“, aus Rumänien, Polen, Albanien, den dunklen Wäldern, den zerklüfteten Bergen, er kommt einsam oder schlimmer noch im Rudel.
Der Wolf wirkt unheimlich
Was aber wild ist, muss ausgelöscht, was dauernd über Grenzen geht, eingehegt werden. Die Autorin Rilo Chmielorz begibt sich auf die Spur des Wolfes: des echten – und des metaphorischen.
(Produktion: SWR 2022)
Ein Cocktail ist kein Hahnenschwanz – eine Offenbarung
SWR2 Feature am Sonntag
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Ach ja, die Bar. Nach zwei Jahren Corona schien dieser öffentliche Ort des intimen Genusses beinahe schon vergessen. Ebenso wie seine Rituale. Das Hochamt des Mixens. Die Offenbarung des Gemixten. Das kultische Halbdunkel. Die aufgereihten Flaschengötzen vor verspiegelten Wänden.
Und doch: Es gibt sie noch, die Bars. Ebenso wie ihre gläubige Stammkundschaft. Was macht eine Bar zu einem besonderen Ort? Autorin Rilo Chmielorz erkundet die Geheimnisse. Angefangen beim Geheimnis, woher eigentlich der Name Cocktail kommt.
Verkörperte Poetik – die Stimmakrobatin Anna Clementi
- Anna Clementi in dem Musiktheater „Mark on the Wall“ von Stepha Schweiger (Nele Gehricke/Viktoria Kirjuchina)
Sie zu hören reicht eigentlich nicht, man muss sie erleben – die Italienische Sängerin Anna Clementi verkörpert Neue Musik. Im Laufe der Jahre sind viele Stücke für sie entstanden, zeitgenössische Komponisten haben sie ihr „auf den Leib geschneidert“.
Was singen, was sprechen, was spielen – was sein? Das wusste die Tochter des italienischen Avantgarde-Komponisten Aldo Clementi schon in jungen Jahren. Als sie nach Berlin kam, traf sie den experimentell arbeitetende Dieter Schnebel und stieg in sein Cage-Projekt „Songbooks“ ein. Er war es auch, der Anna motivierte, es mit John Cages „Aria“ zu versuchen. Anna verleiht jedem Stück einen eigenen Körper.
Wir begleiten die Künstlerin ins BKA zu einem Solo-Abend, den „Berlin Friends“ gewidmet, und ins Theater im Delphi, wo sie die Protagonistin in Stepha Schweigers Oper „The Mark on the Wall“ spielte.
Weidwerk – Porträt einer Jägerin
Beim Schießen kommen die Glückshormone. Beim Ausweiden kommen sie noch stärker. Mit 55 Jahren hat sie den Jagdschein gemacht. Um sich selbst als Teil der Natur zu begreifen.
Das ist die Überzeugung der niederländischen Autorin Pauline de Bok, die seit 20 Jahren irgendwo im Niemandsland des deutschen Ostens lebt. „In meinem Leben ging es immer um die Frage nach unserer Vergänglichkeit und unserer Natur. Als Jägerin bekomme ich auf eine neue Weise Zugang zu dieser Frage, sehr physisch, unausweichlich; wer sind wir, sie und ich?“
Das widerständige Schaf – zwischen Wolf und Agrarpolitik
Das Schaf liefert Fleisch, Wolle und Milch, trampelt den Boden ein bisschen fest, schützt vor Erosion, hält die Grasnarbe fest und filtert das Regenwasser. Nachhaltiger geht es kaum noch! Das Schaf als Vorbild? Gemeinwohl für alle? Doch es gibt immer weniger Schafe in Deutschland und der Berufsstand der Schäfer ist vom Aussterben bedroht. Warum das mehr mit der Agrarpolitik in Berlin und Brüssel zu tun hat und weniger mit der Rückkehr des Wolfes, versucht die Autorin zu ergründen. Gemeinwohl steht trotz Bedrohung des Planeten nach wie vor nicht hoch im Kurs.
(Co-Produktion: SWR/Dlf 2021)
Das Ende des Normativen – Neo Hülcker subversive Musik-Performances
Musik ist für den performativen Komponisten Neo Hülcker anthropologische Untersuchung in alltäglichen Lebenslagen. Hier gibt es keine unverrückbaren Zuschreibungen und Grenzen, alles ist in Bewegung und bei ihm per se queer.
Bei den Solo-Stücken richtet Neo Hülcker den anthropologischen Blick auf sich selbst – nicht ohne Selbstironie und tiefen Humor. Dann wird es grotesk-queer-subversiv und Sparringspartner Archi, ein ausgestopfter Hund, läutet via telepathischer Kommunikation das Ende des Normativen ein.
Alles kann Musik sein
Musik kann alles sein: das Aufzeichnen des täglichen Datums, die Veränderungen im eigenen Stimmbruch, wenn man gerade auf Testosteron ist, genauso wie die Geräusche von „Unboxing“ in einem online-Musiktheater mit Teleshopping oder ASMR-Sounds. Mit seiner kompromisslosen ästhetischen Offenheit richtet Neo Hülcker stets den Blick und das Ohr auf sein musikalisch-soziales Gegenüber. Alles ist ihm willkommen, denn er versucht bei allem seine Erfahrungen zu thematisieren. Alltägliches, selbst wenn es peinlich oder banal ist, wird zum musikalischen Ereignis.
Rilo Chmielorz hat den Künstler begleitet: in performativen, musikalischen Lebenslagen wie (u.a.) Ear Action, Tage, Dress Up und ins Musikgeschäft mit Teleshopping.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/neo-huelckers-subversive-musik-performances-das-ende-des.3819.de.html?dram:article_id=499102
Kummer. Kunst. Karl-Marx-Stadt.
SWR2 Feature am Sonntag
Kummer. Kunst. Karl-Marx-Stadt
Eine Porträt-Collage | Von Rilo Chmielorz
(Produktion: SWR/DLF)
Ursendung am 12.5.2019 um 14.05h
Jan Kummer war immer schon Künstler und immer schon Autodidakt.
Im real existierenden Sozialismus war er mit seiner Band AG-Geige
als dadaistische Kabarett-Performance-Truppe unterwegs und spielte
einen sehr speziellen Elektro-Pop. Ihr Status: „Volkskunst-Kollektiv“.
Nach der Wende blieb Kummer Autodidakt. Diesmal in Sachen Kapitalismus.
Nun malt und collagiert er seit 20 Jahren hinter Glas. Szenen, die an den
nicht mehr real existierenden Sozialismus erinnern, aber auch an amerikanische
Underground-Comics: Dada-Ironie á la Karl-Marx-Stadt? Fragen wir Kummer.
Kummer weiß es. Bestimmt.